Photoperiodismus: Das Zeitmanagement der Pflanzen

Photoperiodismus: Das Zeitmanagement der Pflanzen
Photoperiodismus: Das Zeitmanagement der Pflanzen
11.08.2014, Ganztägig
2014 KW33: Das Gärtnern erfreut sich immer größerer Beliebtheit, wir merken das an allen Ecken und Enden. Die Nachfrage nach unseren Jungpflanzen steigt stetig, die Lehr- und Literaturangebote im Bereich Gartenbau nehmen zu und auch die...

2014 KW33

Das Gärtnern erfreut sich immer größerer Beliebtheit, wir merken das an allen Ecken und Enden. Die Nachfrage nach unseren Jungpflanzen steigt stetig, die Lehr- und Literaturangebote im Bereich Gartenbau nehmen zu und auch die Fernsehbeiträge über neuartige Erscheinungen wie das „Urban Gardening“ häufen sich. Dafür ist es höchste Zeit. Wir, die fanatischen Vollblut-Gärtner aus Schwarzach, konnten es ohnehin nie verstehen, warum ein dermaßen vielschichtiges, interessantes und wichtiges Thema wie der Gemüsebau nicht schon immer und überall grenzenlose Begeisterung ausgelöst hat. Jeder weiß, was die Photosynthese ist. Dementsprechend weiß auch jeder, wie wichtig die Pflanzen für die Existenz der Menschen sind. Aber nicht jeder weiß, was der Photoperiodismus ist und warum manche Pflanzen im Frühling blühen und andere erst im Herbst.

„Im Jahr 1920 forschten die beiden US-Amerikaner Wightman W. Garner und Harry A. Allard an der Sojabohnensorte „Biloxi“. Sie wollten den Zeitraum der Sojabohnenernte ausdehnen und damit den Ertrag steigern. Aber unabhängig davon wann sie das Soja aussäten, blühten die Pflanzen immer zur selben Zeit: im September. Die Forscher führten ähnliche Versuche mit der Tabakpflanze durch und stellten schließlich fest, dass die Tageslänge entscheidend für die Blütezeit ist. Keine der beiden Pflanzen begann zu blühen, ehe die Tageslänge eine kritische Anzahl von Stunden unterschritten hatte. Dieses Phänomen bezeichneten die Wissenschaftler als Photoperiodismus. Die Photoperiode ist die tägliche Belichtungszeit. Diese Erkenntnis war bahnbrechend und gab Antwort auf viele Fragen, mit denen sich Pflanzenzüchter und Landwirte aus aller Welt schon lange beschäftigt hatten:

Warum beispielsweise wächst Spinat nicht in den Tropen? Antwort: Weil Spinat täglich mindestens 14 Stunden Licht benötigt, um zu blühen. Das ist in den Tropen nie der Fall. Zwar wird die Blüte des Spinats nicht gegessen, zur Vermehrung wird sie aber allemal benötigt. Eine Fortpflanzung ohne Blüte ist nicht möglich.

Garner und Allard fanden heraus, dass sich Pflanzen in drei Hauptgruppen einteilen lassen:

  • Kurztagpflanzen blühen im zeitigen Frühjahr oder Herbst, wenn es länger dunkel als hell ist, z. B. Sojabohne, Tabak, Mais, Topinambur
  • Langtagpflanzen blühen im Sommer, wenn die Tage lang sind, z. B. Roggen, Weizen, Gerste, Fenchel
  • Tagneutrale Pflanzen blühen unabhängig von der Tageslänge, z. B. Tomaten, Sonnenblumen

Die Funktion des Photoperiodismus liegt auf der Hand: Er steuert die Entwicklung der Pflanze so, dass das Blühen und Fruchten im Normalfall abgeschlossen ist, bevor ungünstige Witterungsperioden einsetzen. Pflanzen können die Tageslänge auf 10 bis 15 Minuten genau erfassen“

(Quelle: Max-Planck-Gesellschaft, BIOMAX, Ausgabe 28, Frühjahr 2012)

Unsere Mutter Natur hat so allerlei Tricks auf Lager. Pflanzen verfügen zweifelsohne über eine Form der Intelligenz und passen sich im Laufe der Evolution ständig an veränderte Gegebenheiten an. Mit dem Wissen um den Photoperiodismus können Sie beim nächsten Nachbarschaftsplausch über den Gartenzaun die fachliche Erklärung dafür liefern, warum man eine Pflanze wie den Fenchel nur im Frühling oder Herbst aussät. Schließlich möchten Sie später die Knolle essen und nicht die Blüte, oder?