Unser Plädoyer für die Vielfalt

Unser Plädoyer für die Vielfalt
Unser Plädoyer für die Vielfalt
24.08.2015, Ganztägig
2015 KW35: Wie hat bei uns alles begonnen? Veit Plietz hat sich immer für die Pflanzen- und Sortenvielfalt begeistert. Deshalb begann er vor vielen Jahren damit, Chili- und Paprikasorten zu sammeln und zu vermehren. Er stellte jedoch fest, dass die...

2015 KW35

Wie hat bei uns alles begonnen? Veit Plietz hat sich immer für die Pflanzen- und Sortenvielfalt begeistert. Deshalb begann er vor vielen Jahren damit, Chili- und Paprikasorten zu sammeln und zu vermehren. Er stellte jedoch fest, dass die Nachfrage des Verbrauchers gering ist. Ohne das Interesse des Kunden und die notwendige Mundpropaganda lässt sich so ein Projekt kaum stämmen. Folglich hat er nach einer anderen Pflanze gesucht, die bei den Deutschen beliebter und mindestens genauso vielfältig ist. Den Rest der Geschichte kennen Sie. Chili und Paprika sind heute unsere zweitliebste Kultur.

Warum gibt es überhaupt so viele Sorten? Unsere Vorväter haben in jahrhundertelanger Kleinarbeit unzählige Sorten gezüchtet, die perfekt an lokale Bedingungen angepasst waren. Diese Züchtungen wurden von Generation zu Generation weitergegeben und verbessert. So entstand eine unvorstellbare Vielfalt an Sorten, die verschiedenste Eigenschaften aufweisen. Wie viele Tomatensorten es gibt, kann niemand genau sagen. Die Schätzungen reichen von 10.000 bis 300.000 und mehr.

Wächst die Vielfalt noch weiter? Nein, eben nicht. Der heutige Landwirt darf die Saatzucht nicht mehr selbst übernehmen, sie obliegt wenigen Saatgut-Produzenten. Diese Konzerne denken nicht lokal, sondern global. Sie züchten eine Handvoll Sorten, die möglichst überall kultiviert werden können.

Welche Eigenschaften haben moderne Sorten im Vergleich zu alten? Bei der Züchtung moderner Sorten wird viel Wert auf Eigenschaften wie Widerstandsfähigkeit, Ertrag, Haltbarkeit und Aussehen gelegt. Letztendlich soll die Zucht den Erwartungen des Lebensmittel-Einzelhandels genügen: eine preiswerte, rote, runde, wohlgeformte Tomate ist das Wunschergebnis. Bei alten Züchtungen spielte der Geschmack eine wichtigere Rolle. Früher wurden Tomaten geerntet und gleich zubereitet. Die Früchte mussten keinen tagelangen Transport überstehen. Deswegen sind alte Sorten oft leckerer, aber eben auch empfindlicher. Wir können unsere Raritas-Tomaten nur über die Ökokiste und im Hofladen verkaufen. So ist die Ware einen Tag nach der Ernte bei Ihnen. Der Großhandel hat nicht das geringste Interesse an derart anfälligen Früchten.

Wie arbeiten wir? Mit fast 200 Sorten zu arbeiten ist ungleich aufwendiger als die Arbeit mit einer Sorte. Es fängt schon beim Topfen an: wir müssen ständig unterbrechen, um mit einer neue Sorte zu beginnen, alle Sorten müssen zweifelsfrei gekennzeichnet werden. Im Anbau hat jede Sorte andere Bedürfnisse. Manche werden krank und müssen entsorgt werden, bevor sie andere anstecken. Bevor die Raritas-Tomaten vermarktet werden können, müssen sie aussortiert und ordentlich verpackt werden. Außerdem ist das Produkt „Raritas-Tomaten“ sehr viel erklärungsbedürftiger als „Tomate Standard“.

Welche Ziele verfolgen wir? Wenn Sie unsere Raritas-Tomaten probiert haben, kennen Sie die Spitze des Eisbergs. Sie können Ihren Kindern erklären, dass eine Tomate eben nicht rot und rund sein muss, sondern auch flaschenförmig und violett sein kann. Es wäre traurig, wenn diese Vielfalt ausstürbe. Mit der Tomatenvielfalt ginge lange Kulturgeschichte unwiederbringlich verloren. Darüber hinaus käme es zu einer riskanten genetischen Verengung. Das möchten wir verhindern. Wir bewahren alte Sorten vor dem Aussterben. Helfen Sie uns durch Ihren Einkauf und indem Sie Saatgut aus unseren Früchten gewinnen und vermehren – so wie es unsere Vorfahren immer getan haben.